Leider verfolgte mich im Bundeswehr-Camp Mazar-e-Sharif in Afghanistan der Ruf, ein investigativer Journalist zu sein. Also wurde ich isoliert, das Zelt in das ich als einziger gepackt wurde, stand nahe der Start- und Landebahn der Tornado-Jets. Auch nachts machten die einen Höllenlärm, bebten Boden und Feldbett unter mir. Eine Art Abschreckungspolitik.
Keiner der Verwaltungshengste der Bundeswehr im Camp wollte mit mir reden. Umso mehr plauderten deshalb Vertreter des Auswärtigen Amtes, Soldaten und afghanische Übersetzer über den „Irrsinn“ des Einsatzes. Und sogar die 1- bis 5 -Sterne Generäle, darunter der Oberste aller Militärs des Afghanistaneinsatzes, nahmen im Camp und später in Deutschland kein Blatt vor den Mund: „Das hat hier alles keinen Sinn, alle wissen das. Der einzige Grund, warum wir hier sind: die USA wollen das so.“ Alle wollten schleunigst raus.
Tatsächlich waren auch die Chefs der US-Truppen auf die Deutschen wenig gut zu sprechen: „Die kriegen doch nicht mal ein verlässliches W-Lan und auch keine Telefon-Leitung hin. So können die deutschen Kollegen nicht einmal mit ihren Familien reden.“ Tatsächlich mussten sich die Deutschen ins US-Netz einklinken, damit überhaupt etwas lief. „Auch einsatzbereite Hubschrauber fehlen den Krauts. Wir hoffen für euch, dass dennoch alles gut ausgehen wird.“
Ging es nicht.
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In der Nacht vom 13. zum 14 April 2010 schlenderte ich wie üblich nachts allein durchs Camp, aus Neugier, aber auch, weil die abhebenden US-Tornados mich nicht zur Ruhe kommen ließen. In dieser Nacht sah ich die Unheil verkündenden Vorboten einer tödlichen Pleite der deutschen Militärs: vier mit riesigen Antennen ausgerüstete Militärfahrzeuge, obendrauf jeweils ein Soldat. „Nein, das darf ich Ihnen nicht sagen, was los ist. Wir müssen jetzt 4-5 Stunden durchs „Indianergebiete“ rumpeln,“ sagte der Einsatzleiter mit bedrückter Miene. Mit Indianergebiet meinte er das von den Taliban beherrschte Gebiet. Was er nicht sagte: die Deutschen waren in einen Hinterhalt der Taliban geraten. Nach dem stundenlangen Ritt durch Feindesland - Indianergebiet - konnten sie nur noch die Toten aufsammeln, die Toten Nr. 40, Nr. 41, Nr.42 und Nr. 43 des deutschen Einsatzes tun Afghanistan. Hätten sie doc h einen Hubschrauber, statt der Einsatzfahrzeuge …. Die Yankees hatten es kommen sehen.
Am nächsten Morgen wusste das ganze Camp Bescheid. „Es ist nicht zu fassen. Diesmal gab es vier Tote, gerade vor zwei Wochen waren es schon einmal zwei, weil wir den Bedrängten nicht schnell zur Hilfe eilen konnten und die V ersetzten nicht schnell genug bergen. Das darf nicht so weiter gehen,“ erzählte mir der erboste Lazarett-Chef mit entsetzter, trauriger, wütender Miene. Ging es aber.

Natürlich ließ sich der eigentlich Verantwortliche für den merkwürdigen Zustand der Bundeswehr tags drauf in Mazar blicken, es gab ja die Toten zu beklagen: die Opfer der Taliban und einer schlecht ausgerüsteten Truppe: Verteidigungsminister Theodor von und zu Guttenberg (CSU). Der musste wenig später zurücktreten, aber nicht wegen des verlorenen Vertrauens in seine Führungskompetenz und sein Verantwortungsbewusstsein, sondern weil er für seine Dissertation in fremden Texten gewildert hatte und die Plagiate nach monatelangen Täuschungsversuchen nicht mehr zu vertuschen waren.
Die tatsächlichen Pleiten, Ungereimtheiten, absurden Sinnlosigkeiten, Dramen und Tragödien des deutschen Einsatzes wurden nicht so schonungslos offengelegt wie die „heiklen Stellen“ in der Promotionsschrift des CSU-Politikers. Auch in meinen Texten zu meinem Afghanistan-Einsatz klafft eine riesige Tatsachen-Lücke. Aber nicht wegen der Anstrengungen, den „investigativen“„Journalisten von seiner Arbeit abzuhalten, das hatte ja nicht geklappt. Nein, der eigene Chefredakteur ließ meine entsprechenden Texte - von Reportagen, Beobachtungen, Kommentaren bis zu Leitartikel - von seiner Leibgarde der Bücklinge (die stellvertretenden Chefredakteure) aus dem Blatt entfernen, bzw. gar nicht erst ins Blatt rücken. Nicht mal auf Online. Das will schon was heißen, wenn man bedenkt, dass alle diese Texte exklusiv - und investigativ waren.
Darunter war auch eine nebensächliche, aber kennzeichnende Geschichte: während Afghanistan und die Gegend um das Camp Mazar-i-Sharif wegen der monatelangen Trockenheit litten, erfreuten sich die Bundeswehr-Führungskräfte an sieben sorgfältig camouflierten Swimmingpools, sämtliche mit mannshohen Kühlschränken mit Alkoholika aller Arten knackevoll beladenen.
Doch der Chefredakteur, der „Mann ohne Über-Ich“ wie man den Krösus bei uns in der Redaktion nannte, dünkte sich als „Freund“ des adeligen Ministers und verdingte sich deshalb als „journalistisches Schutzschild“ für den von ihm umgarnten Herrn Minister. Denn sie waren ja durchaus Gesinnungsgenossen: War der eine über die Fälschungen in seiner Dissertation gestolpert, so brüstete sich der Chef vor seinen Redakteuren in Düsseldorf und Berlin wiederholt mit seinem journalistischen Credo: „Die Hand des Fälschers darf beim Fälschen nicht zittern.“ Das war kein erhobener Zeigefinger an den bereits strauchelnden Minister. Es war sein tägliches journalistischen Morgengebet, an dem ausgesuchte Redakteure mitunter teilnehmen durften. Investigativer Journalismus nach „von und zu Gutsherrenart“.
Die Champagner-Flaschen, die in Düsseldorf, vor allem aber in der Berliner Redaktion geöffnet wurden, als er endlich gefeuert wurde, waren nicht wenige ….
Hier im Morgenland aber, in der afghanischen Wüste, bestieg der Minister auf Abruf noch einmal, diesmal zusammen mit den in den Frachtraum geschobenen Särgen der toten Soldaten die Transall, zeigte routiniert sein besorgtes Minister in Trauer-Gesicht. Mit diesem üblichen mimischen Schlussakkord bei tödlichen Tragödien war die Affäre im Wüstensand routinemäßig zu Ende gebracht, an der bescheidenen Ausrüstung der frustrierten Soldaten im Einsatz änderte die tödliche Tragödie im Sand von Afghanistan sowenig wie am vernichtenden Urteil des höchsten der Generäle für den Afghanistan-Einsatz: „Das haben wir alle in den Sand gesetzt.“



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