„Lassen Sie es uns also probieren. In zwei Wochen in Lugano.“ Unter der verwegenen Bedingung, dass ich bei einer Studio-Aufnahmen dabei sein durfte, um zu hören, wie der berühmte ECM-Sound entsteht, hatte ich den Musikproduzenten Manfred Eicher zuerst in Gräfelfing bei München getroffen. Ich wollte ihn in Schrift und Bild porträtieren.

Manfred Eicher ist nicht irgendein Produzent, er ist weltweit DER Jazz- Produzent und hat sowohl mit seinen Jazz- aber auch Klassikaufnahmen ECM (Edition of Contemporary Music) zum höchsten Maßstab, zur Legende gemacht. Auch und vor allem wegen des unerhört klaren und immer kongenialen Aufnahmesounds. Als ehemaliger Bassist der Berliner Philharmoniker hat er vor vielen Jahren, wie er sagt „Die Seiten gewechselt“, vom Musiker zum Produzenten und Verleger.

Sein Erfolgsrezept, das ich nach zwei Tagen im Studio erkannte: Unglaubliches Hörvermögen, absolutes Vertrauen in die eigene Kompetenz,  und hohe musikalische Intelligenz. Mehr noch, Manfred Eicher ist einer, der an sich und ALLE anderen Qualitätsanforderungen stellt, die nicht immer zu erfüllen sind. Auch nicht in Lugano. Selbst nicht von Rava und Bollani.

Der Trompeter Enrico Rava trägt in der Musikbranche den höchsten Jazz-Orden „Europas Miles Davies“ und Stefano Bollani spielt so gut Piano, dass er nicht nur mit Art Tatum verglichen wird, sondern es Aufnahmen gibt, in denen nur er mit Chick Corea im Duo spielt. Beide Italiener sind wunderbare Musiker und sehr coole Typen, klug, witzig, lässig, tolerant und Künstler ganz seltener Couleur.

Nach dem Aufnahmetag, einem sehr langen Samstag im Studio, sitzen wir in einem Restaurant nahe des Luganer Sees, trinken Schweizer Rotwein. Und noch vor der Vorspeise eröffnet uns der Produzent ohne Umschweife: „Das war heute nichts. Wir machen das ganze morgen noch einmal.“ Meist hört sein analytisches Ohr mehr als die Musiker selbst.

Die Aufnahmen wurden am Sonntag wiederholt und wurden 2007 ein Welterfolg. „The Third Man“, (zur CD fotografierte ich das Cover und die Fotos des Booklets ), war so gut, dass er „Guardian“, „Le Monde“, „FAZ“ und auch andere europäische Zeitungen wie auch Fachzeitschriften ins Schwelgen gerieten.

Manfred Eicher indes, stets in grau gekleidet und mit schulterlangem grauen Haar,  gerät selten ins Schwelgen. Vielleicht bei den ECM-Aufnahmen von Keith Jarretts Sun Bear Concerts, Arvo Ports „Fratres“  oder Gideon Kremers ECM-Einspielung der Sonaten und Partiten von Bach.  Doch bei aller Vorliebe für die Musik, die er verlegt, auch die von Marc Johnson,  Jan Garbarek, Check Coreas Return Forever, bestimmt er: „Musik ist der zweitschönste Klang - nach der Stille.“

Und was wäre der schönste zweitschönste Klang auf Erden für ihn? Manfred Eicher, The Third Man, überlegt keine Nanosekunde: „Miles Davis, produziert von Manfred Eicher“.